Cattie: Was Vainamoinen in seinem Artikel u.a. anspricht ist der Irrglaube von einem Wir-Gefühl zwischen Unternehmen und Kunden.
Vainamoinen: Ich glaube durchaus, dass 2008 bei der Gründung GOGs ein ethischer Grundgedanke vorhanden war. Die Frage ist erstens, existiert er noch in derselben Form, und wenn ja, ist die Frage zweitens, haben die Community/Kunden den Grundgedanken ggf. falsch interpretiert? Zu diesen Fragen biete ich im Artikel recht komplexe Antworten an, behaupte jedoch nicht, dass diese definitiv richtig sind.
Gemeinsame Werte schaffen ein Wir-Gefühl, und das kann auch zwischen Firmen und Kunden funktionieren. Ich denke auch, dass andere ein solches Gefühl bei GOG gehabt haben, vor einigen Jahren noch. Es existiert nur heute nicht mehr. Das ist ein erheblicher Verlust, auch da ein solches Gefühl beim großen Valve eben nicht existiert (die Kundenloyalität bei Steam ist ebenfalls im Artikel angesprochen: hier herrscht eine Unterwürfigkeit und Dankbarkeit unter den Kunden vor, also alles andere als Augenhöhe und "Teamgeist").
Sorry, die Antwort ist etwas länger geraten...
Daß gemeinsame Werte ein Wir-Gefühl schaffen ist natürlich unbestritten. Über deine Vermutung, daß es auf GOGs Seite anfangs tatsächlich ein Wir-Gefühl mit den Kunden gab, können wir nur spekulieren. Auch Zuckerberg / Gates und wie sie alle heissen hatten möglicherweise vor langer Zeit mal ähnliche Vorstellungen. Belegen lässt sich das leider nicht. Und das ist besonders deshalb schade, weil es uns helfen könnte, einen besseren Einblick in die marktwirtschaftlichen Mechanismen zu erlangen, die zur Abkehr der ursprünglichen Ideale führen. Wie du bemerkt hast geht meine These in die Richtung, daß dieser Mechanismus zwangsläufig greift, wenn eine Firma wachsen will. Die schräge Logik, die dahinter steht, ist vielleicht mit der Rüstungsspirale zu vergleichen. Ich versuche mal kurz die mögliche Position von GOG zu übernehmen:
"Wer nicht ständig wächst, verliert. Die Anderen melken die Kunden weit besser und verdienen deshalb mehr Geld und wachsen schneller (Handel mit Daten / Abwicklung des modernen DRM und deshalb mehr Spiele-Anbieter im Shop). Ausserdem sind wir unseren Mitarbeitern und ihren Familien gegenüber verantwortlich bla bla... uns bleibt also keine Wahl, als das Spiel mitzuspielen, auch wenn es unschön ist. Ausserdem meckern viele Kunden schon lange und wollen genau die Dinge, die die Anderen anbieten (und die z.b. den Datenschutz untergraben bzw. DRM durch die Hintertür zurückholen)."
Einzelne Punkte davon hattest du ja in deinem Blog-Artikel schon benannt. Und wir können eine gewisse Logik im Mikrokosmos dieser Argumentation nicht von der Hand weisen. Genau wie im Mikrokosmos des Militärs die Rüstungsspirale ein zwangsläufiger und logischer Zustand ist, der nicht durchbrochen werden kann/darf.
Und jetzt der Punkt, in dem wir mit Sicherheit unterschiedlicher Ansicht sind :)
Wenn wir mal annehmen, dass GOGs interne Argumentation tatsächlich so oder ähnlich sind, ist meine Schlussfolgerung, daß eine Diskussion mit GOG über die uns wichtigen Punkte überhaupt keinen Sinn macht. Das "Entgegenkommen" zum Verstecken der Profile vor anderen Nutzern war unwesentlicher Kleinkram zur kurzfristigen Befriedung der Foren, vielleicht auch eine PR-Aktion, die schon vorher geplant war. Da können wir wild spekulieren.
GOGs Richtung ist klar definiert, sie werden davon nicht abrücken. Auch weil sie selbst überzeigt sind, daß sie nicht anders können. Alles, was ihnen bleibt, ist der Versuch, per PR-Aktionen die Gemüter zu beruhigen.
Für mich ergibt sich aus alldem nur eine Schlußfolgerung: Wenn rein marktwirtschaftlich denkende Menschen marktwirtschaftlich handeln muß meine Antwort ebenfalls auf dieser Ebene liegen. Natürlich ändert ein Kaufboykott nichts, solange der Schaden kleiner ist als GOGs Nutzen durch die Neuerungen. Ich mache mir da keine Illusionen, der "Sog" der Bequemlichkeit und der "bunten Welt der neuen Möglichkeiten" ist für die allermeisten zu groß, als das sie widerstehen könnten. Aber ich bin jetzt gezwungen, für mich zu entscheiden. Will ich vor mich hinschimpfen und weiter mitspielen oder nicht. Ich hätte es lieber, wenn ich mich nicht entscheiden müsste, aber ich habe ja keine Wahl, oder?
Wie gesagt, das sind alles Thesen, und ich mag sie nicht. Wenn sie jemand überzeugend widerlegen kann bin ich extrem dankbar :)
EDIT: Bemerkung über einen GOG-Kommentar zu Opt-In Profilen entfernt, kann ich grad' nicht belegen.