JimRaynor.925: Ja, theoretisch könnte ein Richter diese Entscheidung treffen. Ein Richter kann theoretisch urteilen was er will, nur wird dies die nächste Instanz nicht überleben. Genau so könnte die Polizei dich festnehmen und ein Richter dich wegen Mordes lebenslang verurteilen obwohl du nichts gemacht hast, gleich wahrscheinlich und theoretisch genau so möglich.
Leroux: Und wenn es so unwahrscheinlich ist, dass ein solches Urteil bei Filmen mit verfassungsfeindlichen Symbolen die nächste Instanz überlebt, müsste das gleiche dann nicht für Computerspiele gelten? Ist die Angst der Publisher, in Deutschland wegen ihrer Spiele belangt zu werden, dann vergleichbar mit der Paranoia, unschuldig wegen Mordes verurteilt zu werden?
Nein, bei Filmen ist es gelebte Praxis quasi seit Bestehen der BRD, dass diese als Kunst anerkannt werden und unter die entsprechende gesetzliche Kunstausnahme fallen.
Bei Computerspielen ist genau das Gegenteil der Fall, dort wird seit jeher davon ausgegangen, dass NS-Symbole verboten seien, weswegen bereits tatsächlich Spiele beschlagnahmt wurden und seit Jahrzehnten Spiele nur noch ohne NS-Symobil in Deutschland veröffentlicht werden.
Daher ist im Falle eines Spiels ein mehrjähriger und teurer Rechtsstreit zu erwarten, da davon ausgegangen werden muss, dass es zu einem Verfahren kommt. Bei Filmen ist kein Rechtsstreit zu erwarten. Bei Spielen ist die Gefahr am Schluss zu verlieren sehr gering, bei Filmen jedoch praktisch nicht existent, dennoch steht dir ein jahrelanger Rechtsstreit bevor, der dich mehrere hunderttausend Euro kosten kann, wenn nicht sogar die Millionengrenze übersprungen wird.
Um in dem Gleichniss zu bleiben: Du möchtest in einem anderen Ort Urlaub machen, weißt aber das dort dich dort lokale Richter, Staatsanwälte und Polizei auf dem Kieker haben und dich auf jeden Fall wegen Mordes anklagen und verurteilen würden. Würdest du dann trotzdem in den Ort in Urlaub fahren, wenn von Anfang an klar ist, dass du dann erstmal jahrelang klagen darfst, währenddessen dich jeder schief anguckt, weil er denkt du seist Mörder und am Schluss einen 6-7 stelligen Betrag dafür verbrennen oder würdest du einfach in einen anderen Ort in Urlaub fahren, wo du völlig unbehelligt bist und der fast gleich aussieht?
Konkretes Beispiel: Bei Wolfenstein oder Commandos wäre es wohl ziemlich unstrittig, dass die Spiele nicht das NS-Regime verharmlosen, weil die Nazis die bösen sind und man sie töten muss.
Bei Hearts of Iron könnte man aber argumentieren, dass hier eine Glorifizierung des 3. Reichs stattfindet, weil man selbst mit dem 3. Reich den 2. Weltkrieg gewinnen könnte und hierbei mit NS-Symbolik und original Propagandareden von Goebbels, Hitler und Co. eine besonders realistischer und verwerflicher Hintergrund geschaffen wird.
Ich persönlich halte das für absoluten Quatsch, weil es darum bei dem Spiel nicht geht, auch wenn man Deutschland spielen kann. Es wäre aber eine Argumentation, die ein Staatsanwalt bringen könnte und der sich sogar Richter anschließen könnten. Das Risiko ist zwar gering, aber realistischerweise vorhanden.
Filme haben den Vorteil, dass sie indirekt und abgeschlossen sind. Ich konsumiere sie nur passiv. Spiele sind aber aktiv und ich kann sie völlig unterschiedlich spielen, z.B. auch auf Seiten des 3. Reiches.
JimRaynor.925: 86, 86a und 130 StGB, was du ganz genau weißt.
classic-gamer: Und warum setzt man nicht mal da an anstatt auf eine Anzeige zu warten die man eh nicht provozieren wird? Wie soll da jemals ein Spiel uncut rauskommen?
Wer soll mit welcher Handlung mit welchem gewollten Erfolg für was ansetzen? Deine Aussage ergibt kein Sinn und ist nicht verständlich, weil viel zu unkonkret, da sie eigentlich überhaupt nichts aussagt, wer und wie dadurch die Problematik gelöst werden soll.
Es ist Aufgabe der Gerichte am konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob etwas erlaubt oder verboten war, daher ist ein gerichtliches Verfahren zwangsweise die Voraussetzung. Und eben genau dieses Verfahren wird aus Kosten- und Marketinggründen gescheut, zumal noch ein beachtliches Restrisiko besteht. Daher nehmen die Publisher lieber den zusätzlichen Aufwand in Kauf extra Versionen zu produzieren, was auch nicht gerade billig ist.
Eine Gesetzesänderung könnte nur der Bundestag beschließen, darauf hat ein Publisher kein Einfluss. Aber die Gesetzesänderung wäre irrelevant, da es bereits eine Kunstausnahme gibt und die Feststellung, ob Spiele Kunst sind, vor einem Gericht verbindlich festgestellt werden müsste. Es gibt nirgends eine Liste, was der Gesetzgeber als Kunst anerkennt und einordnet, davon abgesehen würde eine solche Liste selbst wiederum gegen die Kunstfreiheit verstoßen, da es dem Gesetzgeber nicht zustehen würde eine abschließende Bewertung vorzunehmen, was Kunst ist und was nicht.